Presseschau Syrien

Al-Jazeera von innen

Wie ein kritischer Sender sich wandelt

Al Jazeera galt viele Jahre als das journalistische Aushängeschild der arabischen Welt: Kritisch, unabhängig, professionell. Aktham Suliman, ehemaliger Mitarbeiter des Senders, ist vor einiger Zeit dort ausgestiegen, denn er beklagt die zunehmende Instrumentalisierung für politische Zwecke. Das zeige sich insbesondere im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling, der nicht zuletzt durch Medien wie Al Jazeera beeinflusst worden sei. Ein Interview als Akt der Selbstreflexion über Ethik im Journalismus und die schleichende Korrumpierung durch Geld, Ruhm und Korpsgeist.

Der lachende Dritte

Syrien, die Kurden und die Türkei

Die Fronten im syrischen Bürgerkrieg werden immer unübersichtlicher. Auf der einen Seite stehen die Rebellen aus FSA und islamistischen Milizen, auf der anderen das alte Regime. Eine Sonderrolle spielen jedoch die im Norden des Landes wohnenden Kurden. Sie orientieren sich eher auf ihre Verwandten in Irak und Türkei, im Inland versuchen sie eine schwierige Gratwanderung, die ihnen das Misstrauen beider Kontrahenten einbringt. Langfristig könnten die kurdischen Gebiete einen relativ autonomen Teil des Landes bilden, wobei sie dann eng mit der türkischen Regierung kooperieren würden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, werden doch die Kurden in der Türkei noch immer z. T. militärisch unterdrückt. Diese Annäherung würde aber nur eine vergleichbare Entwicklung der irakischen Kurden nachahmen. Denn die hängen mittlerweile vor allem wirtschaftlich am Tropf Ankaras. Ist also am Ende die Türkei machtpolitisch ein Profiteur der Selbstzerfleischung Syriens?

Türkische Märchenstunde

Deutsche Bundesregierung schickt Truppen aufgrund von Propaganda
Kriegsnebel
Kriegsnebel Bild von Hovic

Als »Nebel des Krieges« wird der Schleier aus Lügen bezeichnet, der jeden Krieg umgibt wie Pulverdampf die Kanonen. Durch das Internet sind wir nicht zwangsläufig besser informiert, die Desinformation erreicht uns aber schneller. Steven Geyer und Frank Nordhausen hinterfragen in der Frankfurter Rundschau zwei Propagandalügen des Syrienkrieges. Aufgrund des vorgeblichen Abschußes eines türkischen Flugzeuges entsandte die Bundesregierung Patriot-Raketen in die Türkei. Doch nicht nur blieb umstritten, ob der Absturz auf syrischem Hoheitsgebiet begann. Vielmehr konnten »keine Spuren von Raketenbeschuss am Wrack des veralteten F4-Phantom-Jets« nachgewiesen werden. Auch beim jüngsten Attentat im türkischen Reyhanli nahe der syrischen Grenze stellen sich Fragen: So soll der türkische Geheimdienst MIT Warnungen ignoriert haben. Wie dem auch sei: Die deutschen Medien geben in der Mehrzahl ein schlechtes Bild im syrischen Bürgerkrieg ab, indem sie die Hintergründe ausblenden und sich vor den Karren einer Kriegspartei oder den Interessen der Regionalmächte spannen lassen.

Kalter Krieg im Kleinformat

Wie die USA fragwürdige Rebellengruppen in Syrien unterstützen

Daß einige Golfstaaten, die Türkei, Großbritannien und die USA das Kaleidoskop der Rebellengruppen im syrischen Bürgerkrieg durch Waffen, Logistik und Ausbildung unterstützen und somit den Bürgerkrieg in eine perspektivlose Länge ziehen, ist längst kein Geheimnis mehr. Das zynische Kalkül, im Namen von Freiheit und Demokratie die Zerstörung eines Landes in Kauf zu nehmen, ist eine Neuauflage des Kalten Krieges im Kleinformat, bei dem verschiedene Mächte um Einfluß in der Region ringen. Thomas Pany beleuchtet auf Telepolis einige Aspekte der Waffenlieferungen durch amerikanische Sicherheitsbehörden.

Die enteignete Revolution

Was ist aus dem arabischen Frühling geworden?
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011 Bild von mmoneib

Werner Pirker analysiert den Stand der Dinge in den arabischen Ländern: Wohin haben sich die Revolutionen entwickelt, und warum? Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die Politik des Westens. Dieser habe dem Wandel anfangs eher skeptisch gegenübergestanden, da die jahrzehntelang erprobte Kooperation mit den autoritären Eliten in Gefahr geriet. Später habe man sich stattdessen darauf verlegt, die Neuordnung zumindest nachhaltig zu beeinflussen.

Als entscheidenden Wendepunkt sieht Pirker den Fall Bahrain: Eine Volksbewegung wurde hier von den reaktionären Golfdynastien brutal unterdrückt. Und die USA, die eng mit dem Regime zusammenarbeiteten, auch wegen der großen Militärbasis vor Ort, schauten zu. In Libyen dann nahm man mittels direkter Militärintervention massiv Einfluss, ähnliches steht in Syrien bevor. Von zentraler Bedeutung ist schließlich Ägypten als bevölkerungsreichstes Land der Region. Hier erstickte erst die westlich unterstützte Armee die Volksbewegung, dann übernahm die Organisation der Muslimbrüder die Macht. Deren Charakter erscheint zwiespältig: »Sie hat zwei Gesichter, das eine ist der Demokratie zugewandt, das andere der Oligarchie.« Es bleibt jedenfalls vorerst offen, ob die Umwälzungen schon beendet sind oder es einen neuen revolutionären Schub geben wird.

Schatten der Vergangenheit

Frankreichs und Großbritanniens Politik gegenüber Syrien
Die Aufteilung des Nahen Ostens
Die Aufteilung des Nahen Ostens Bild von Ian Pitchford

Ähnlich wie Obama hat nun auch Frankreichs neuer Präsident Hollande offen von einem möglichen Militäreinsatz des Westens gesprochen. Dabei gehe es um humanitäre Erwägungen. Außerdem regte er die Bildung einer Gegenregierung an und versprach dieser Unterstützung.

In der Tagesberichterstattung ging dabei weitgehend unter, dass Frankreichs Einmischung in der Region keineswegs neu ist. Schon während des Ersten Weltkriegs bemühte sich das Land erfolgreich um Einflussnahme. Im Rahmen des Sykes-Picot-Abkommens sicherte man sich den Zugriff auf Syrien und den Libanon, während gleichzeitig Großbritannien der Irak, Jordanien und weitere Teile des Nahen Ostens zufallen sollten. Bis dahin war die Region vom Osmanischen Reich beherrscht worden, das nach seiner Niederlage die Kontrolle an die beiden Siegermächte übergeben musste. Besonders pikant an der diplomatischen Initiative war, dass die Briten zugleich den Arabern für ihre Waffenhilfe politische Unabhängigkeit versprachen. Nach den Kämpfen war davon dann freilich keine Rede mehr. Genausowenig, wie die Franzosen bereit waren, den Syrern Autonomierechte zu gewähren.

Diese Vorgeschichte sollte man berücksichtigen, wenn über Interventionen nachgedacht wird. Denn sie zeigt zweierlei: Einmal, dass es dabei immer auch um handfeste Eigeninteressen der fremden Mächte geht. Und zweitens, dass diese gern mit schönen Versprechen an die betroffene Bevölkerung bemäntelt werden. Schon die Kontrolle über Syrien wurde Frankreich seinerzeit übrigens offiziell als Mandatsgebiet des Völkerbundes übertragen – faktisch war das Land dann jahrzehntelang eine Kolonie.

Die syrische Tragödie

Der Bürgerkrieg hat viele Ebenen, doch keine Partei setzt auf Verhandlungen

Der Bürgerkrieg in Syrien steigert sich zu einer Orgie der Gewalt, die sich fortlaufend zuspitzt. In dieser Propagandaschlacht haben nicht alle Medien ein gutes Bild vermittelt, umso mehr lohnt die Erwähnung der Ausnahmen. Eine ausgewogene Berichterstattung findet sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. So berichtete Rainer Hermann im Juni, wie die Rebellen zum damaligen Zeitpunkt im Zentrum des Landes ein Viereck unter ihrer Kontrolle hielten – mittlerweile haben sie ihren Radius von dort erweitert. Der Korrespondent zweifelte aufgrund von Augenzeugenberichten die Darstellung an, nach der Regierungstruppen in dieser Region für das Massaker von Houla verantwortlich seien. Vielmehr entstand der Eindruck, dass Teile der Rebellen in dieser Region gewalttätig gegen Minderheiten und unbewaffnete Sympathisanten der Regierung vorgehen. Unter den Aufständischen sollen sich auch radikale Salafisten mit Nähe zu Al-Qaida befinden. Weiterlesen … »

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