Presseschau Agenda Setting

Lügen haben langen Atem

Wie ein falsches Zitat Berühmtheit erlangte
"Ich glaube nur Zitaten, die ich gerade erfunden habe" <br/>Foto von cliff1066™
"Ich glaube nur Zitaten, die ich gerade erfunden habe" Foto von cliff1066™

Einer der berühmtesten Zitate in Deutschland ist Winstons Churchills Spruch »Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.« Doch dieses Zitat ist leider – falsch. Dennoch wird der vorgebliche Ausspruch in zahlreichen Publikationen wiedergegeben. Bereits vor einigen Jahren hatte Werner Barke, ehemaliger Referent des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, die Geschichte des Zitats herausgearbeitet: Offensichtlich geht es auf die Propaganda der Nazis zurück, welche Churchill gezielt als Lügner darstellten.

Auch welche verschlungenen Wege den Grundgedanken, dass Statistik – durch bzw. laut Churchill – zur Fälschung missbraucht werden könne, schließlich in die Presse der Nachkriegszeit Eingang finden ließen, von dort in Nachschlagewerke, von dort wieder in Zeitungen und Reden, das lässt sich heute noch nicht nachzeichnen.

Überliefert dagegen ist Churchills Aussage: »Man freut sich ja immer, wenn man sieht, wie ein Feind in Irrtum und Selbsttäuschung befangen ist.«

Die Gernegroßschreiber

Ein Putsch, der uns noch fehlt

Als selbstgerecht und autoritär erscheinen Tom Schimmeck einige leitende Figuren der deutschen Medienlandschaft, darunter Dirk Kurbjuweit (Spiegel), Kai Diekmann (Bild), Gabor Steingart (Handelsblatt), Rainer Hank (FAS), Matthias Matussek (Spiegel) und Josef Joffe (Zeit): Diese Gernegroßschreiber fühlen sich als heimliche Herrscher der öffentlichen Meinung der Republik. Daher erzählt Schimmeck, wie diese sich durch einen »Presseputsch« als neue Junta der Bundesrepublik einsetzen, um der Demokratie entgültig den Garaus zu machen. Lesenswert und amüsant.

Die militärische Abriegelung der nicht an der Machtübernahme beteiligten Pressehäuser werde aufrechterhalten, „bis das Vaterland gefestigt ist“. Die Sperrung des Internets hingegen könne bereits in der kommenden Woche gelockert werden, so Matussek – »schon damit ich wieder bloggen kann.«

Was nicht passt, wird passend gemacht

Schwerwiegende Fehler bei der Wiedergabe von Studien in den Medien

Zwei krasse Beispiele, wie politisch relevante Studien von den Medien falsch wiedergegeben werden, zeigt Stefan Sichermann auf Bildblog: In beiden Fällen wurden Studien des kriminologischen Foschungsinstitut Niedersachen aufgegriffen. So wurde in vielen Medien über einen Zusammenhang zwischen islamischen Glauben und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen berichtet, obwohl in der Studie dieser ausdrücklich verneint wird. Aus einer gekürzten Interviewpassage in der Süddeutschen Zeitung wurde eine Meldung der Nachrichtenagenturen, die dann in die Medienlandschaft zurückwirkte.

In einem zweiten Fall ging es um die vorgeblich steigende Gewalt gegen Polizeibeamte. Doch die Studie war vom niedersächsischen Innenminister für die Innenministerkonferenz in Auftrag gegeben worden, und daher mit »heißer Nadel gestrickt«. Die Studie weist so viele methodische Fehler auf, daß ihr Ergebnis ohnehin wenig aussagekräftig ist. Dennoch schaffte es die Welt, die Zahlen so umfassend zu verdrehen, daß am Ende »linksextreme Demonstranten« für drei Viertel aller verletzter Beamte verantwortlich sind. Wer immer mal wissen wollte, wie Chomskys Konsensmaschine funktioniert, erhält hier bestes Lehrmaterial.

Stille Post

Wie Medien und Politik eine Bombe erfinden
Kurz vor der Exposion der "Splitterbombe"
Kurz vor der Exposion der "Splitterbombe"

Auf der Demonstration des Bündnisses Wir zahlen nicht für Eure Krise am 12.6. in Berlin explodierte ein unbekannter Gegenstand direkt neben zwei Polizisten, die dadurch verletzt wurden. Eine Phalanx von Medien und Politik spricht auf einmal von einer »Splitterbombe«, die Bildzeitung von einem »Bombenanschlag«, es wird eine Nähe zum Terrorismus gesehen, Bundesinnenminister de Maizière sieht im Bundestag die Demokratie bedroht. Doch mit ein wenig Internetrecherche hätte sich rausfinden lassen, daß es sich mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit um Pyrotechnik handelt, die in Deutschland nicht erhältlich ist. Die taz hat sich um Aufklärung bemüht und nachgezeichnet, wie durch schlechte Recherche und stille Post eine Falschmeldung produziert wird, die bis in den Mund des Bundesinnenministers gelangt. Weiterlesen … »

Wenn die Kameras weg sind

Haiti fünf Monate nach der Katastrophe
Leben in Zelten <br/>Foto von US Aid
Leben in Zelten Foto von US Aid

Haiti ist ein Beispiel, wie die mediale Aufmerksamkeit einer Konjunktur unterliegt. Fünf Monate nach der Erdbebenkatastrophe in dem von Armut und Instabilität geplagten Land finden sich kaum genug Beiträge, um ein Bild der Lage und des Wiederaufbaus zu zeichnen. Die wenigen Journalisten, die sich in die Hauptstadt Port-au-Prince verirren, zeigen sich bestürzt anhand der Zeltstädte und der surrealen Atmosphäre und erstaunt aufgrund der Überlebenskünste der Bewohner: Eine sachliche Beurteilung der Fortschritte bleibt dabei mangels Vergleich schwierig. Bisher sind jedoch die Zusagen von Hilfsgeldern der internationalen Gemeinschaft nicht eingelöst. Negativ fiel der Konzern Monsanto auf, der die Lage dazu nutzen wollte, sein Saatgut in dem Land zu etablieren.

Wahrheitsfindung im Rampenlicht

Haben die Medien Jörg Tauss vorverurteilt?

Bettina Winsemann hat auf Telepolis den Prozess wegen des Besitzes von Kinderpornographie gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten Jörg Tauss untersucht, und viel fragwürdiges gefunden. Dazu zählt die suggestive Berichterstattung vieler Medien, die einer Vorverurteilung gleiche und auf den Prozess Einfluß genommen habe:

Es bleibt zu hoffen, dass die im Netz laut gewordene Kritik an der Art, wie Hausdurchsuchungen, Verhaftungen etc. immer stärker im TV-Serien-Stil choreografiert werden, sich nicht nur auf die »Causa Tauss« beschränkt, sondern allgemeingültig formuliert wird. Denn immer öfter agieren Staatsanwaltschaften und Medien wie Regisseure und Produzenten von Liveübertragungen, sind bei Hausdurchsuchungen vor Ort, sorgen für oft einseitige Berichterstattung und demzufolge auch für Sym- oder Antipathie gegenüber den Betroffenen.

Aber auch das Urteil selbst sei fragwürdig, da Journalisten aufgrund »beruflicher Pflichten« in Besitz des Material kommen dürften, Abgeordente dagegen nicht.

Grüne Fassade

Wie BP die Öffentlichkeit täuscht
"Beyond Petroleum"
"Beyond Petroleum"

Für den britischen Konzern BP ist die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko eine doppeltes Desaster, denn sein mühsam aufgebautes Image als ökologisches Unternehmen zebröselt zu Staub. Dabei war jenes Bild eine Täuschung der Öffentlichkeit. Die Imagekampagne war um ein vielfaches teurer als die Investitionen in Windenergie, wie das NDR Medienmagazin ZAPP aufklärt. Der Unternehmensschwerpunkt ist nach wie vor fossile Energie. BP setzte beim »Greenwashing« verschiedene Methoden ein: Gesponserte Artikelserien, »Aufklärung« an Schulen und finanzierte Artikelreihen zu erneuerbarer Energie.

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