Presseschau Staat

Am Rande der Krise

Die Sparpolitik in Rumänien führt zur Eskalation
Proteste in Bukarest am 24. Januar
Proteste in Bukarest am 24. Januar Bild von Damiano Benzoni

Seit einigen Wochen wird Rumänien von heftigen Protesten erschüttert. Der südosteuropäische Staat reiht sich somit in die Liste der Länder ein, in denen die Folgen der Wirtschaftskrisen zu inneren Konflikten führt. Auslöser der Proteste war eine Gesundheitsreform, die den Rettungsdienst privatisieren sollte. Tomasz Konicz zeigt auf Telepolis jedoch, daß hinter dem Aufruhr der Unmut über ein aufgezwungenes Spardiktat steht, das breite Bevölkerungsschichten weiter verarmen läßt. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden um ein Viertel gekürzt – ähnlich geht es den Rentnern, die durch Nullrunden bei Inflation faktische Rentenkürzungen hinnehmen müssen. Der Mindestlohn beträgt im »Armenhaus Europas« nur 162 Euro. Die Hoffnungen auf eine Besserung der Lage durch den Eurobeitritt sind insofern erschüttert. Weiterlesen … »

Stadtviertel im Visier

Massenhafte Datenspeicherung von Mobilfunk in Berlin
Stadtviertel im Visier
Bild von Alessandra Cimatti

Nachdem die sächsische Polizei in Dresden bei einer Gegendemonstration gegen einen Naziaufmarsch im Februar 2011 sämtliche Mobilfunkdaten eines Stadtviertels durch eine sog. »Funkzellenabfrage« gespeichert hat, ist nun auch in Berlin ein solcher Fall bekannt geworden. Im Bezirk Friedrichshain wurden auf Anfrage der Staatsanwaltschaft und auf richterliche Anordnung hin seit 2009 die Daten von mindestens 13 Funkzellen ausgewertet. Ziel der Fahndung waren die in Berlin grassierenden Autobrandstiftungen. Andre Meister zeigt auf Netzpolitik den Umfang der Fahndung auf und stellt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Denn die massenhafte Speicherung von Daten werde mit Terrorismus und schweren Straftaten begründet. Dies öffnet jedoch ein weites Fenster je nach Definition. Das Ausmaß der Datenerfassung bleibt bislang ungeklärt. Weiterlesen … »

Schutz der Verfassung?

Der Verfassungsschutz in der Kritik
Schutz der Verfassung?
Bild von black_caeser

Nach dem Skandal um das Ermittlungsversagen gegen den rechten Terror kommt schon der nächste Fall. Der Verfassungsschutz (VS) überwacht seit Jahren Abgeordnete der Linken, unter anderem Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi, Parlamentsvizepräsidentin Petra Pau und, besonders heikel, Steffen Bockhahn. Letzterer ist in seinem Ausschuss auch für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig – wer kontrolliert hier also wen, möchte man da fragen.

Nun hat sich der Skandal aber noch weiter verschärft: Statt wie bisher von Innenminister Friedrich behauptet, werden nicht nur öffentlich zugängliche Quellen ausgewertet, sondern auch andere Mittel der Überwachung angewendet. Das legte schon die Tatsache nahe, dass die von einzelnen Abgeordneten angeforderten Akten teilweise geschwärzt waren. Warum sollte der VS das tun, wenn alle Informationen öffentlich zugänglich wären? Nun hat der niedersächsische VS-Chef eingeräumt, dass »punktuell« auch geheimdienstliche Maßnahmen ergriffen würden. Dazu zählen etwa Telefonüberwachung, V-Leute und ähnliches. Ob damit die Verfassung geschützt oder beschädigt wird, sollte einmal gründlich hinterfragt werden.

Tote Zeugen

Die Europäische Union scheitert am Aufbau eines Rechtsstaats im Kosovo
Zigarettenschmuggel im Kosovo
Zigarettenschmuggel im Kosovo Bild von blandm

Kaum jemand würde den Kosovo als funktionierenden Rechtstaat bezeichnen. Die organisierte Kriminalität ist nach der Ausrufung der Unabhängigkeit 2008 nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftszweig. Dazu zählt der Schmuggel von Drogen und Zigaretten in die EU. Die regierende Demokratische Partei (PDK) des Premierministers Hashim Thaçi wird immer wieder in Verbindung mit kriminellen Geschäften gebracht. Daneben werden Politiker der Partei, die die politische Nachfolgeorganisation der Rebellenarmee UÇK ist, Kriegsverbrechen vorgeworfen. Doch der ehemalige Premier Ramush Haradinaj musste bei einem Kriegsverbrecherprozess in Den Haag freigesprochen werden, weil von zehn Zeugen nur noch einer lebte. Ein geheimes Papier des Bundesnachrichtendienst sah ihn zudem in Drogen- und Waffengeschäfte verwickelt.

Daher weist eine Reportage von Frontal21 auf die wichtige Rolle des Zeugenschutzprogrammes der Europäischen Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX hin. Doch das Programm schützt und betreut seine Klienten nur mangelhaft. Ein Zeuge wurde in einem Park in Duisburg erhängt aufgefunden, nachdem er sich über das Programm beschwerte. Der ZDF-Bericht beklagt somit den mangelnden Willen der Schutzmächte, im Kosovo mit der Vergangenheit aufzuräumen und für rechtsstaatliche Verhältnisse zu sorgen.

Bei Anruf Mord

Zwei Dokus über die Kriminalisten des Mordes
Bei Anruf Mord
Bild von peterstephenblass

Ein buntes Bild zeichnet das deutsche Fernsehen gerne über die Arbeit von Ermittlern und Mordkommissionen. Die reale Arbeit am Tatort ist dagegen meist eher dröge, sie besteht aus dem peniblen Sammeln und Auswerten von Spuren. Ein Dokumentarfilm von Ernst August Zurborn hat den Ermittlern für Mord und Totschlag in Hamburg  in sehr zurückhaltender Form über die Schultern geschaut. NDR 45 min zeigt dagegen den Berufsalltag der Fallanalytiker. Die Profiler werden in der Regel erst bei sehr schwierigen Fällen hinzugezogen, bei denen die Kriminalisten nicht vorankommen. Hier gilt die Regel: Jeder Täter trifft ständig Entscheidungen, die viele Details über ihn verraten. Daraus lässt sich häufig ein Profil rekonstruieren. Beide Filme ergänzen ein Bild über die zumeist eher banalen Motive des Tötens – Agatha Christie wäre wohl wenig beeindruckt.

Bis zum jüngsten Tag

Unbegrenzte Internierung wird in den USA gesetzeskonform
Bis zum jüngsten Tag
Bild von Gino Reyes, The National Guard

Barack Obama ist mit dem Versprechen angetreten, Guantanamo zu schließen. Doch am letzten Tag des vergangenen Jahres unterschrieb er den National Defense Authorization Act, der die zeitlich unbegrenzte Internierung von Terrorverdächtigen durch das Militär erlaubt. Das zuvor angekündigte Veto hat er fallenlassen – Abgeordnete des Kongresses vertreten die Meinung, das Gesetz würde nur geltende Praxis juristisch umsetzen. Doch an der Verfassungskonformität bestehen massive Zweifel. Human Rights Watch kritisiert, die USA würden nun zu geltendem Recht erklären, was sie in anderen Staaten wie Ägypten als Ausnahmezustand beklagen. Chris McGreal gab bereits Mitte Dezember die massive Kritik an dem Gesetz wieder. Offen greift Jonathan Turley im Guardian sowohl den Präsidenten als auch die Medien an:

Das beinahe vollständige Versagen der großen Medien, über die Sache zu berichten, ist schockierend. Viele Journalisten haben der Obama-Regierung ihren Spin abgekauft, wie sie der Bush-Regierung ihren Spin über Folter abgekauft haben. Noch immer weigern sich manche Journalisten die Praxis des Waterboarding Folter zu nennen - trotz der vielen Klagen und obwohl Experten seit Jahrzehnten sagen, dass es sich dabei durchaus um Folter handelt.

Strategische Nebelkerzen

Sparen beim US-Militär?
Strategische Nebelkerzen
Bild von The U.S. Army

Barack Obama ist ein Meister der Verschleierung. Der US-Präsident, der zwei Kriege führte und dennoch den Friedensnobelpreis bekam, hat schon mehrfach gerade in Fragen der Militärpolitik Hoffnungen geweckt, die von vornherein unbegründet waren. Die Atomwaffen werden keineswegs abgeschafft, sondern nur auf ein Maß reduziert, das den veränderten Bedingungen nach dem Kalten Krieg angemessen ist. Ebenso verhält es sich mit der jüngst angekündigten Kürzung des Militärbudgets um etwa 500 Milliarden Dollar. Und das aus mehreren Gründen.

Zunächst ist die Kürzung auf zehn Jahre angelegt, was allein schon die Summe erheblich relativiert. Darüber hinaus findet vor allem eine Neustrukturierung der Armee statt. Nach dem Abzug aus dem Irak und der Verringerung der Soldaten in Afghanistan kann die Zahl der Bodentruppen deutlich sinken. Gleichzeitig werden Flotte, Luftwaffe und Spezialkräfte eine wichtigere Rolle spielen. Von einer wirklichen Abrüstung kann also keine Rede sein. Außerdem betonte Obama, dass es auch weiterhin große Herausforderungen geben werde: An erster Stelle der Aufstieg Chinas, aber auch der Krieg gegen den Terror und nicht zuletzt der Iran. In Peking sorgt das Säbelrasseln indessen für ernste Sorgen. Eine bewusst offen gehaltene Liste von möglichen Einsatzländern umfasst daneben Pakistan, Jemen, Somalia. Das klingt nicht nach Entspannung, zumal ein Krieg gegen Iran unabsehbare Folgen haben würde. Ausdrücklich wird eine grundlegende Verschiebung der strategischen Ausrichtung nach Asien angekündigt, was einen teilweisen Abzug aus Europa einschließt. In jedem Fall soll die finanzielle Ausstattung der Armee in einer Höhe aufrecht erhalten werden, die eine globale Vormachtstellung auch in Zukunft garantiert.

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