Presseschau Beiträge von Tobias Pester

Effizienz über alles!

Wissenschaft funktioniert nur, ohne einzig rentabel sein zu müssen

In einem Gastkommentar auf le bohémien plädiert Florian Sander, Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld (FDP), für die Freiheit des Bildungsbereichs von Wirtschaftlichkeit als oberstem Grundsatz. Demnach profitiere die Gesellschaft durchaus von der Ungezwungenheit der Wissenschaft, auch nicht wirtschaftlich verwertbares zu erforschen, denn nur wissenschaftlicher Freiraum ermöglicht gute wissenschaftliche Arbeit. Die Unterwerfung des Hochschulwesens unter ständige finanzielle Zwänge und Effizienz führe außerdem zu kollektiver Verdummung und schlechter, weil eingeengter, Wissenschaft.

Basisbewegung von oben

Tea-Party-Bewegung ist vor allem Projekt einzelner Multimilliardäre

Die Tea-Party-Bewegung in den Vereinigten Staaten hat auch in der deutschen Presse Bekanntheit erlangt – meist als übliche halb ernst gemeinte Zurschaustellung amerikanischer Einfalt. Dabei ist diese Bewegung sowohl Instrument eines erbitterten Machtkampfs innerhalb der Republikanischen Partei als auch ein handfestes Phänomen der politischen Landschaft: Bewegungen die vorgeblich 'von unten' kommen, also von ganz gewöhnlichen Menschen aus der Bevölkerung angetrieben und organisiert werden, tatsächlich aber von Großindustriellen gegründet, aufgebaut und finanziert werden, also 'von oben' kommen. Dieses Prinzip gibt es grundsätzlich auch in Deutschland. Zum Beispiel die vor einigen Jahren an jeder Werbewand präsente Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Der Begriff ”Initiative” suggeriert dabei zusammen mit Bildern von 'ganz normalen Leuten', die Kampagne wäre ganz natürlich in der Basis entstanden, direkt in der Bevölkerung. Aber dahinter steht die Metall- und Elektroindustrie, deren Verbände die INSM von Anfang an aufgebaut haben. Weiterlesen … »

Nichts neues – mal wieder

Amerikanische Regierung übertreibt Bedeutung der nun veröffentlichten Diplomatenberichte

Die Diskussion um Sinn oder Unsinn der neuesten WikiLeaks Veröffentlichung diplomatischer Berichte beschäftigt die Gemüter. Regierende behaupten, die Veröffentlichung gefährde die nationale Sicherheit und bringe Mitarbeiter vor Ort in Gefahr. Simon Jenkins vom britischen Guardian kontert, es sei Aufgabe der Regierung – nicht der Presse – Staatsgeheimnisse zu wahren. Die Regierung habe seit Monaten von dem Verlust der Daten gewusst und genügend Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Zumal, wenn diese Berichte in der Tat so sensibel wären, warum sind sie dann nicht als streng geheim eingestuft worden und über drei Millionen Staatsbediensteten zugänglich? Wären die Daten so brisant, wie die Regierung behauptet, hätten sie ganz offensichtlich besser geschützt werden müssen. Weiterlesen … »

Konservativ sein ändert sich ständig

Über die Vergänglichkeit konservativer Standpunkte

Das Blog Print Würgt kommentiert am Beispiel der deutschen Zeitschriftenlandschaft die vergängliche Natur konservativer Standpunkte. Quasi per Definition sind konservative Positionen irgendwann überholt. Egal, ob es um die Anerkennung der sehr stark menschenbeeinflussten Erderwärmung geht, die Frage, ob Frauen wählen dürfen sollten oder, ob Beobachten, daraus rationale Schlüsse ziehen und danach Handeln vielleicht doch besser ist als Beten und Hoffen:

Es steht außer Frage, dass heute viele Positionen längst bürgerlich sind, die vergangenen Generationen konservativer und bürgerlicher Kreise noch gegen den Strich gingen – und das ist gut so […] Wenn zum Beispiel die Erziehung unserer Kinder heute in weitesten Teilen dem entspricht, wofür die 68-er auf die Straße gegangen sind, und sich die bürgerlichen Erziehungsmethoden aus den 60er-Jahren praktisch ausnahmslos als falsch herausgestellt haben, brauche ich dann heute einen Resonanzboden [das Nachrichtenmagazin 'Focus'] aus Nostalgie für die alten Vorstellungen? Oder weil ich immer noch nicht weiß, was richtig ist?

Weiterlesen … »

Lernfähig?

Kritik an Grundsätzen des Neoliberalismus

Irland und Großbritannien: Vorzeigeländer neoliberaler Wirtschaftspolitik sind bankrott. Auf die Gesellschaft kommen herbe Einschnitte zu. In einem Kommentar zum Schweizer Wachstumsbericht 2008 kritisiert Prof. Beat Bürgenmeier vom Schweizer Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik kontrapunkt drei grundsätzliche Annahmen des Neoliberalismus: Erstens, die Wirtschaft könne mit aktiver Wachstumspolitik positiv beeinflusst werden. Dabei bestimme doch die internationale Konjunktur maßgeblich das nationale Wachstum. Nationale Wirtschaftspolitik sei also weitestgehend machtlos. Zweitens, mehr sei besser, egal wie es verteilt wird:

Da kommt die immer im Brustton ausgedrückte Überzeugung zum Ausdruck, dass zuerst einmal erarbeitet werden  muss, was verteilt werden kann. Diese Überzeugung ist an sich nicht falsch, aber ungenügend. Das zwanzigste Jahrhundert war geprägt von Verteilungskämpfen und es ging immer um die Verteilung der Produktionsgewinne. Je gerechter diese Verteilung wahrgenommen wird, desto motivierender wirkt sie für das Wirtschaftswachstum. Die Verteilung ist also nicht nur Konsequenz sondern auch Vorbedingung unseres Wirtschaftens.

Weiterlesen … »

Let's be friends

Systematische Onlineüberwachung durch Staat und Privatwirtschaft in Amerika etabliert

Soziale Netzwerke im Internet werden immer populärer, aber viele Menschen sind sich der Gefahren nicht bewusst, die damit einhergehen. Das Verständnis dafür, was es bedeutet die eigene Privatsphäre offenzulegen, ist kaum verbreitet. Auch die rechtliche Fassung dieser neuen Konzepte steht noch aus und so existiert nach wie vor eine Grauzone für Überwachung und Voyeurismus. In Amerika bieten Dienstleister inzwischen ganz legal – oder besser, nicht illegal – anderen Firmen an, die Onlineäußerungen ihrer Angestellten auf Facebook, Twitter und Blogs zu überwachen. Beschränken diese sich anscheinend auf öffentlich zugängliche Daten, greifen die amerikanischen Behörden mitunter heimlich auf Daten zu, die der Nutzer Freunden vorbehalten hat. Dabei wird nicht nur auf Privatpersonen gezielt, sondern auch auf Presse und politische Organisationen:

Der Staat bezahlte einem privaten Unternehmer tausende Dollar, um schwule und lesbische Gruppen [und] Umweltaktivisten […] zu überwachen. Ergebnisse der Überwachung wurden in Geheimdienstberichten zusammen getragen, die vorgeblich dafür erstellt wurden, Behörden über potentiellen Terrorismus zu informieren.

Weiterlesen … »

Die neue Politik

Wie man Wähler behalten will, ohne sie zu vertreten

Als die Finanzkrise vor einem Jahr ihren Höhepunkt erreichte, forderte ein gesellschaftlich breites Bündnis aus Verbänden, NGOs, Gewerkschaften, kirchlichen und privaten Wohlfahrtsorganisationen, Finanztransaktionen zu besteuern. Anders als auf althergebrachte Arten von Handel sind darauf bis heute keine Steuern fällig. Bei dem Versuch, diese Stimmen einzufangen, verkündeten die Kanzlerin und der Finanzminister lauthals, nicht zu ruhen bis eine solche Finanztransaktionssteuer (FTS) eingeführt sei. Beim CDU-Wirtschaftsrat bemerkt der Finanzminister dann, dass er »kein Freund« der FTS sei. Vor zwei Wochen nun wurde das Vorhaben beim Rat der EU-Finanzminister auf unbestimmt vertagt, wird also verschleppt.

Auch dafür kann die EU gut sein: Sich bei den Wählern empfehlen, indem man vorgeblich deren Forderungen in seine politische Agenda aufnimmt und dieses Projekt dann eine Ebene höher in Brüssel scheitern lässt. Somit kann man die ungewollte Finanztransaktionssteuer verhindern, gleichzeitig aber die Anwaltschaft seiner potentiellen Wähler vortäuschen, schließlich hätte man es ja versucht, die Schuld für das Scheitern liege bei der EU.

Inhalt abgleichen